Heinrich Heine - Ein WintermärchenHeinrich Heine
aus: Deutschland - ein Wintermärchen - Caput IX (1844)

Von Köllen war ich drei Viertel auf acht
Des Morgens fortgereiset;
Wir kamen nach Hagen schon gegen drei,
Da wird zu Mittag gespeiset.

Der Tisch war gedeckt. Hier fand ich ganz
Die altgermanische Küche.
Sei mir gegrüsst, mein Sauerkraut,
Holdselig sind deine Gerüche!

Gestovte Kastanien im grünen Kohl!
So ass ich sie einst bei der Mutter!
Ihr heimischen Stockfische, seid mir gegrüsst!
Wie schwimmt ihr klug in der Butter!

Jedwedem fühlenden Herzen bleibt
Das Vaterland ewig teuer -
Ich liebe auch recht braun geschmort
Die Bücklinge und Eier.

Wie jauchzten die Würste im spritzelnden Fett!
Die Krammetsvögel, die frommen
Gebratenen Englein mit Apfelmus,
Sie zwitscherten mir: Willkommen!

Willkommen, Landsmann, - zwitscherten sie -
Bist lange ausgeblieben,
Hast dich mit fremdem Gevögel so lang
In der Fremde herumgetrieben!

Heinrich Heine - Ein Wintermärchen (Casetten)Es stand auf dem Tisch eine Gans,
Ein stilles, gemütliches Wesen.
Sie hat vielleicht mich einst geliebt,
Als wir beide noch jung gewesen.

Sie blickte mich an so bedeutungsvoll,
So innig, so treu, so wehe!
Besass eine schöne Seele gewiss,
Doch war das Fleisch sehr zähe.

Auch einen Schweinskopf trug man auf
In einer zinnernen Schüssel;
Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns
Mit Lorbeerblättern den Rüssel.


Buchllink Tonträger
Heinrich Heine
Deutschland - ein Wintermärchen
in: Sämtliche Schriften, hrsg. v. Klaus Briegleb, Ullstein Verlag, Berlin, Bd. IV, S. 598 f. oder: Werke, hrsg. V. Martin Greiner, Buchclub ExLibris, Zürich, 1. Band, S. 693 f.