Welches Gemüse wird diesen Sommer das Rennen machen?
Noch zeichnet sich kein Gemüse als der grosser, klare Trend ab. Es sind aber doch schon erst Tendenzen auszumachen. Im Aufwind sind offenbar alte, traditionelle Sorten wie Linsen, Sauerkraut und Dörrbohnen. Dies obwohl diese Namen bei älteren Menschen oft ein eher negatives Image haben. Die jungen Leute kennen sie nicht und auch die damit verknüpften Mangelzeiten bringen sie nicht in einen Zusammenhang. Die Verbindung zur Nahrung armer Leute machen sie nicht und entdecken deshalb den Geschmack unbefangen als für sie neuartig. Auch Kohlarten, wie Pak-Choi oder Kohlrabi haben Potential. Bei Sprossen und Schnittsalaten soll ebenfalls eine erhöhte Nachfrage zu beobachten sein, weil hier noch der Convenience-Faktor mitspielt. Grosses Potential haben auch Spinat und Stangensellerie. Ersterer, weil er sehr vitaminreich ist und viele Zubereitungsarten gestattet. Zweiterer eigent sich wirklich zu mehr als nur als Suppeneinlage.
Wie entsteht ein saisonaler Gemüse-Trend?
Anstösse, die ein zuvor oft eher geschmähtes Gemüse zur plötzlichen, trendigen Modeerscheinung machen gibt es mehrere: Das Gemüse taucht vielleicht plötzlich formschön und prominent positioniert in den Supermarkt-Regalen auf oder erreicht mit der Unterstützung einer Frauenzeitschrift eine erhöhte Aufmerksamkeit. Vielleicht wird es in einer Kochsendung zum Star des benutzten Woks oder von einem Starkoch unter der gefüllten Dorade im Edelrestaurant zelebriert. Auch aktuelle Kochbücher helfen manchmal auf den Gemüsethron. Solche Anstösse können dann eine Eigendynamik entwickeln, weil sie den Nachahmungstrieb beflügeln. Trends aus der Spitzen-Gastronomie erobern heute oft bald auch den heimischen Tisch und führen so zu einer entsprechenden Nachfrage.
Diese Entwicklung von In-Gemüsen dauert aber auch heute meist mehrere Jahre. Kurzfristige Entwicklungen wie seinerzeit bei den Kiwifrüchten und den Cherrytomaten sind eher eine Ausnahme. Auch hat nicht jedes Gemüse wirklich das Zeug dazu prominent zu werden. Mangold (Krautstiel) schaffte es zwar zu einem notablen Revival, scheiterte aber doch an Punkten wie Kaloriengehalt, Lagerungsproblemen wegen der Sperrigkeit im Kühlschrank und der nicht ganz einfachen Zubereitung. Kürbis, Bärlauch Rucola haben es dagegen geschafft. Oft ist auch eine simple Marketingmassnhame von Erfolg gekrönt. Im Falle der lange gemiedenen Rauke führte eine simple Namensänderung zu Rucola zum Durchbruch des trendigen mediterranen Salates mit dem leicht bitterem Geschmack.
Deutlich wird vom Gemüsehandel aber wahrgenommen, dass die trendigen Gemüsearten immer schneller voneinander abgelöst werden. Die Medien und der Kochbuch-Markt scheinen daran wesentlich beteiligt zu sein. Die Gemüseproduzenten geben an, dass beispielsweise ein gepuschter Vorschlag der bevorzugten "Schweizer Vörköchin" (Betty Bossi) oder eine einschlägige Sendung von Biolek und Freunde eine spürbar erhöhte Nachfrage auslösen.
Die Trendgemüse der letzten Jahre
Ende 70er-Jahre |
Broccoli
Studien ergaben, dass Broccoli sehr gesund sei. Schon ass die ganze Welt nichts mehr anderes. Man kannte ihn gedünstet, mit Bröseln und mit Käse überbacken. |
Anfang 80er-Jahre |
Nüsslisalat
Die vormals als essbare Dekoration betrachtete Beilage mauserte sich in Form von Salat zum Renner |
Mitte 80er-Jahre |
Zucchini
Die Zucchini brachte etwas Italien über die Alpen. Da sie sehr schnell wachsen tauchten sie sofort überall auf und man verzehrte sie gefüllt und gebraten. Auch die Blüten wurden schliesslich nicht verschmäht. |
Ende 80er-Jahre |
Spargel
Der Spargel-Trend führte wohl zur ersten wirklichen Gemüse-Hype. Seine Saison war nur kurz, der Preis nicht billig und die Erwartungen hinsichtlich einer verbesserter Libido nicht bescheiden. Jedes Lokal wurde fast zu Spargelwochen gezwungen. |
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Cherry- und Rispen-Tomaten
Die kleinen Tomätchen eroberten die Teller wegen ihres kräftigen Geschmacks. Man kam dann später wieder darauf zurück, dass sie eher als Dekoration zweckdienlich sind. |
Mitte 90er-Jahre |
Rucola (Rauke)
Die Namensänderung führte bei den älteren Jahrgängen zunächst manchmal zu etwas Verwirrung. Noch heute aber geniesst man Rucola vom Amuse-Gueule über die Vorspeise bis zur Suppe. Wenn man dann noch nicht genug hat, dann gibt es auch noch Rezepte für Sorbets. |
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Bärlauch
Obwohl im Garten eher unbeliebt, schaffte er es über die Gastrotempel bis zu den Spätzli, Würsten und Suppen des normalen Bürgers. |
Ende 90er-Jahre |
Avocado
Die Avocado brachte uns kulinarisch über den Ozean. |
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Kürbis
Zuerst kam die Kürbiscrèmesuppe. Es folgten Kürbis-Risotto, Kürbis-Gnocchi, Kürbis-Ravioli und noch viel mehr Kürbis-Kochbücher. Der Handel entdeckte Halloween als neue Marktchance und verlängerte dadurch die Kürbissaison in Form von Masken und Kürbispyramiden noch zusätzlich. |

Gemüse sind salonfähig
Eine Auswirkung der beobachteten Gemüsetrends äussert sich darin, dass der Pro-Kopf-Verbrauch pro Jahr seit 1980 bis 2003 stetig von 57.4 auf 71.3 kg gestiegen ist. Dies ist einerseits mit einem gesundheitsbewussteren Konsumverhalten zu erklären, andererseits auf die enorm gestiegene Auswahl zurückzuführen. In der Schweiz sind heute immerhin rund 80 Gemüsesorten mit verschiedenen Varietäten erhältlich. Wichtig ist im Zeitalter des Convenience-Food, dass die Gemüse schnell zubereitet werden können und auch schon vorgerüstet in den Handel kommen.
Gemüse ist heute nicht mehr nur Beilage sondern fast schon der Mittelpunkt auf dem Teller. Die Konsumenten stellen entsprechend auch höhere Forderungen hinsichtlich der Qualität.
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