Bei der konventionellen Garmethode für Fleisch beträgt die Ofentemperatur 200 °C. Die Kerntemperatur steigt während dem Garen schnell an, und die äussere Fleischschicht erfährt in der Folge eine forcierte Hitzeeinwirkung: Dies führt einerseits zur erwünschten Krustenbildung, andererseits aber zu einem hohem Garverlust infolge von Saftaustritt und Wasserverdampfung. Dies kann zum Austrocknen des Fleischstückes führen.
Die Indianer machten es den Amerikanern vor, wie man es besser macht. Sie wickelten ihr Büffelfleisch nach der Jagd in Felle ein und garten es zwischen heissen Steinen. Das moderne Niedertemperatur (NT)-Garen von Fleisch ist diesem Prinzip ähnlich: Es beruht auf einem sehr langsamem Garen unter 120 °C. Wenn die gewünschte Kerntemperatur des Gargutes erreicht ist, kann das Fleisch danach stundenlang und ohne nennenswerten Qualitätsverlust essbereit gehalten werden.
Fleisch zarter aber ohne Jus
Das Niedertemperaturgaren hat weitere Vorteile: Das Fleisch wird zarter und verliert weniger Saft. Dadurch bleibt es nicht nur saftiger, sondern es ergeben sich auch mehr Tranchen. Ein Braten kann zeitunabhängig vorproduziert und dann warmgehalten werden, bis er angerichtet wird. Wenn man am Ende eine Kruste wünscht, so muss das Fleischstück nach dem Garen noch angebraten werden. Ein Bratenjus für die Sauce steht hingegen nicht zur Verfügung. Der Saft bleibt im Fleisch. So wie die Zubereitung eines traditionellen Bratens im Ofen etwas Fingerspitzengefühl erfordert, ist auch das moderne Niedertemperatur-Garen durchaus eine erlernbare Kunst.
Dass Fleisch bei Niedertemperatur zarter wird war anlässlich einer Tagung der Fleischbranchenorganisation Proviande (1) Mitte Mai 2003 auch das Fazit eines Vortrages von Ueli Bernold, Geschäftsführer der Grossmetzgerei Keller (2) und Gewinner des World Barbecue Gold Cups 2002. Ein weiterer Referent, Hans-Peter Soltermann (3) , Inhaber der Kochschule La Cucina in Gümligen, erläuterte an dieser Tagung die Original-Niedertemperatur-Barbecuemethode aus den USA: «kurzgereiftes Fleisch wird dazu roh in den Ofen geschoben und bei max. 120 °C Ofentemperatur gegart. Die Kerntemperatur lässt man dabei je nach Produktart lediglich auf 50-70 °C ansteigen». Beim Niedertemperaturgaren liegen die Garverluste schliesslich nur bei 5-12 % verglichen mit 12-24 % bei der konventionellen Garmethode.
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Schnellreifung beim Garen
Das oft erwähnte Nachreifen des Fleisches während des Garprozesses findet tatsächlich statt: Fleischreifung bedeutet Eiweissabbau durch die fleischeigenen Enzyme - ein Vorgang, welcher nach der Schlachtung einsetzt und umso schneller abläuft, je höher die Fleischtemperatur steigt. Die Reifung findet im Fleischlager bei Kühltemperaturen statt, da sich oberhalb von 5 °C auch unerwünschte Bakterien vermehren würden. Je nach Sorte und Fleischstück dauert die Reifung Tage bis Wochen. Auf diese Weise erhält man die zart-machenden und Geschmack-gebenden Eiweiss-Spaltprodukte. Beim Niedertemperatur-Garen geschieht dasselbe im Zeitraffer: Ungereiftes Fleisch wird zart und schmackhaft, weil die Kerntemperatur sehr langsam und nur auf moderate Temperaturen steigt. Die Enzyme erhalten dadurch viel Zeit und den idealen Temperaturbereich für ihre Tätigkeit. Vollreifes Fleisch kann bei dieser Methode jedoch "überreif", d.h. säuerlich und mehlig werden. Die Regel lautet: Eine Stunde Niedertemperatur-Garen entspricht einem Tag Fleischreifung im Kühlraum. Grundsätzlich kann man auch ungereiftes Fleisch Niedertemperatur-Garen. Es würde zwar zart, hätte aber wenig Geschmack. Während des Kalt-Reifens entstehen nämlich auch Aromastoffe, die sonst fehlen. Auch Amerikaner, die grundsätzlich mehr Wert auf die Zartheit des Fleisches als auf die natürliche Aromabildung legen, lassen das Fleisch deshalb drei Tage reifen.
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Grenzen der Wasserbindung
Hierzulande gibt es Varianten der beschriebenen Methode. Generell wenden Schweizer Köche aber eher die konventionelle Bratmethode mit Ofentemperaturen bis 200 °C an. Die Kerntemperatur steigt dabei schneller an, und die Oberfläche des Gargurtes erfährt eine vergleichsweise höhere Hitzebehandlung. Dadurch entsteht zwar die gewünschte Kruste aber es resultiert auch ein hoher Garverlust. Dies erklärt sich daraus, dass bei einer Temperatur über 72 °C das Wasserbindungsvermögen des Eiweisses abnimmt. Als «Nachteil» bei der Niedertemperaturgarung führen dafür die Köche oft an, dass kaum Jus zur Verfügung steht, weil der Saft im Fleisch bleibt.
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Spezielle Niedertemperatur-Garungs-Öfen benötigen eine gradgenaue Temperatursteuerung. Allen gemeinsam ist die stille Hitze ohne forcierte Luftbewegung. Auch Barbecue-Öfen, die man mit Holz oder besser Holzkohle beheizt, eignen sich und besitzen Spezialeffekte: Solche «Smoker» mit Feuerbox, Garkammer und Kamin sehen aus wie Lokomotiven. Das Fleisch bildet durch dezenten Rauch den exklusiven roten Barbecuerand. Auch Beilagen kann man darin garen.
Ob man für die Niedertemperatur-Garung das Fleisch anbratet oder roh in den Ofen schiebt ist nach Meinung verschiedener Köche eine Ermessenssache. Wenn man genug Zeit hat, sollte man das Fleisch roh einschieben. Andernfalls soll man das Fleisch nach dem Anbraten entspannen lassen, bevor es in den Ofen kommt. Aus hygienischen Überlegungen ist das Anbraten von Vorteil, weil eine höhere mikrobiologische Sicherheit besteht. Unter Verwendung von Butter entsteht dabei die schönste Farbe. Es muss aber betont werden, dass durch scharfes Anbraten die Vorteile hinsichtlich Garverluste verschenkt werden. Nicht nur vor, sondern auch nach dem Niedertemperatur-Garen hat ein kurzes Braten Vorteile: Es bilden sich Kruste und Röstaroma, ferner erhöht man eine allenfalls zu tiefe Serviertemperatur.
Mit Wild und Geflügel wird es schwieriger
Das Niedertemperatur-Garen ist für mageres Rindfleisch am besten geeignet. Das gilt sowohl für Edelstücke als auch für Ragout. Anders beim echten (geschossenen) Wild: Soltermann berichtet, dass Rehpfeffer «weich wie Püree wird und nur noch im Altersheim serviert werden kann. Aber man kann auch Wild durchaus Niedertemperatur-Garen, sofern man es frisch vom Schuss erhält».Geflügel kann man zwar Niedertemperatur-Garen, aber Soltermann rät, vorher die Haut wegzuschneiden, da diese schlabberig wird. Stark durchzogenes Fleisch wie Schweinshals ist weniger für die Niedertemperaturgarung geeignet, weil das Fett bei der tiefen Temperatur kaum abtropft. Beim Fisch hingegen bietet die Niedertemperatur-Methode den Vorteil, dass unter 68 °C Ofentemperatur kein Eiweiss austritt.
Mit der Niedertemperatur-Garmethode kann man bindegewebereiches Fleisch hinsichtlich Textur verbessern. Gulasch wird auf diese Weise zart, aber nicht breiig oder faserig. Die Gelatine bleibt im Fleisch, wohingegen sie beim Druckkochen in die Sauce übergeht.
Die Garzeit hängt vom Fleischtyp ab. Beim Erreichen der Kerntemperatur ist edles Fleisch normalerweise servierbereit. Man rechnet dafür mit etwa 90 min/kg ab dem Moment, in dem man es in den Ofen schiebt. Schmorfleisch muss dagegen 8-14 h länger garen, damit es zart wird.
Praxiserfahrungen mit dem Niedertemperatur-Garen
Das Zürcher Restaurant Lindenhofkeller wendet die Niedertemperatur-Garung seit längerer Zeit an.
Der Geschäftsleiter sieht die Vorteile vor allem beim saftig bleibenden Fleisch, dem geringen Bratverlust und dem rationellen Arbeitsablauf, da der Braten vorproduziert werden kann. Kalbsrücken, Roastbeef, Lammcarré und Rindsfilet sind die Spezialitäten des Hauses, welche den Gästen "sehr gut schmecken, trotz der leicht geringeren Fleischtemperatur beim Service". Man verwendet "gut abgehangenes Fleisch, das keine Tiefkühlung erfahren hat, bratet es kurz an, gart es im Spezial-Ofen und legt es zum Schluss kurz auf den Grill - falls ein Nachwärmen nötig ist".
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Bakteriologische Probleme vermeiden
Nicht nur Enzyme sondern auch Bakterien werden bei lauwarmen Temperaturen aktiv. Beim Niedertemperatur-Garen ist einwandfreies Fleisch und ein hygienisches Arbeiten daher besonders wichtig. Sobald durch den Garprozess eine Erwärmung des Gargutes erfolgt, beginnen sich allfällig vorhandene Mikroben ebenfalls zu vermehren (kritischer Temperaturbereich 5 bis 65 °C). Daher ist es aus hygienischen Gründen sinnvoll, dass das Fleisch zuerst oberflächlich sterilisiert wird, indem man es in der Pfanne oder im Ofen anröstet. Ausserdem bilden sich dabei attraktive Geschmacksstoffe. Im Innern ist das Fleisch von Natur aus steril. Man darf es deshalb auch nur mit einem sehr sauberen Fühler anstechen. Im Kern steigt die Temperatur nicht genügend hoch, um Bakterien mit Sicherheit abzutöten. Wer sich deshalb zum ersten Mal an die Niedertemperatur-Garung wagt, sollte sich vom Fleischlieferanten gut instruieren lassen.
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Referenzen:
(1) Proviande, Finkenhubelweg 11, Postfach, CH-3001 Bern, Regula Kennel, info@proviande.ch
(2) Metzgerei Keller AG, Manessestr. 88, CH-8045 Zürich ZH, Tel. 01/462 00 90, gourmetkeller@bluewin.ch
(3) Kochschule La Cucina, Soltermann Hans-Peter, Worbstr. 221, CH-3073 Gümligen, Tel. 031/952 64 74, info@la-cucina.ch
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