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Sekundäre Pflanzenstoffe:
Forschung für Functional Food

Die bioaktiven sekundären Pflanzenstoffe (SPS) haben vitaminähnliche oder pharmakologische Wirkungen. Früher hielt man viele von ihnen für ungesund bis giftig, Heute erst erkennt man ihren Wert.



Bioaktive sekundäre Pflanzenstoffe (SPS)

SPS dienen der Pflanze als Abwehr-, Farb-, Lock- oder Schutzstoff. Steht sie unter Stress, beispielsweise wenn sie etwa von Schädlingen verletzt wird, bildet sie vermehrt SPS. Generell sind Pflanzen einem starken oxidativen Stress ausgesetzt, da sich durch die UV-Strahlung aggressive, freie Radikale bilden. Grüne Blätter sind daher reich an antioxidativen Carotinoiden. Einige dieser Stoffe haben ferner auch eine sensorische Bedeutung. Sie geben der Pflanze Farbe, Geruch und Geschmack. Chemisch gesehen sind SPS sehr verschiedenartige Stoffe, die aber nur in geringen Mengen vorkommen.

Die Pharmaindustrie müsste sie erfinden, kämen sie nicht schon in der pflanzlichen Nahrung vor: die bioaktiven sekundären Pflanzenstoffe (SPS). Sie haben pharmakologische Wirkungen und bilden eine fliessende Grenze zu den Heilmitteln, wie dies besonders bei Tee, Gewürzen und Knoblauch besonders deutlich wird. Die reine Lehre der Ernährungsphysiologie muss daher durch die «Ernährungspharmakologie» ergänzt werden. Dies hatte eigentlich schon Hippokrates erkannt, welcher riet: «Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein».

Mit seinem Appell hätte der archaische Gelehrte jedoch heute einen schweren Stand, werden doch Lebens- und Heilmittel vom Gesetz strikt getrennt - jedenfalls im Abendland. Aber sollten wir nicht den Präventivwert einzelner SPS nutzen und die besonders schutzstoffreichen Gewächse wie Knoblauch, Kohl & Co öfter auf den Speisezettel setzen?

Heute lobt man zwar einzelne Pflanzen hoch, aber die SPS-Forschung steckt effektiv noch in den Anfängen. Morgen entdeckt man möglicherweise auch in anderen Pflanzen weitere interessante Inhaltsstoffe, die man daher im Moment nicht vernachlässigen darf. Ausgewogenheit und Vielseitigkeit haben deshalb in der Ernährung immer Priorität. Forcieren sollte man bestimmte Lebensmittel nur, wenn eine medizinische Indikation vorliegt.


Ketchup gegen Krebs?


Bioverfügbarkeit ist unterschiedlich

Der Mensch nimmt täglich ca. 1.5 g sekundäre Pflanzenstoffe auf. Die Aufnahme ist dabei unterschiedlich gut:

  • Carotinoide werden aus fetthaltiger Nahrung besser aufgenommen.
  • b-Carotin wird aus gekochten Karotten viel besser resorbiert als aus als rohen.
  • Lykopin wird aus Tomatenpüree besser aufgenommen als aus frischen Tomaten.
  • Tee-Flavonoide werden gemäss Unilever mit oder ohne Milch gleich gut aufgenommen. Hier gibt es allerdings auch Studien mit gegenteiligen Resultaten.
  • Flavonoide werden relativ gut resorbiert und bleiben im Blut über 20 Stunden aktiv.
  • Quercetin aus erhitzten Zwiebeln wirkt gar einige Tage.
  • Senföle werden schon nach kurzer Zeit wieder ausgeschieden.
In der Tat kennt man den Bedarf und das Wechselspiel zwischen den einzelnen SPS noch nicht. Dennoch wird intensiv an deren Anreicherung gearbeitet: Durch Züchtung konnte man bereits den Carotinoidgehalt von Peperoni erhöhen. Mit Hilfe der Gentechnik wird dies derzeit auch bei verschiedenen anderen Gemüsearten versucht. Vor zwei Jahren gelang es ETH-Forschern, den berühmt gewordenen «goldenen Reis» zu entwickeln, der artuntypische Carotinoide bildet. Und kürzlich wurde publik, dass eine britische Forschergruppe eine Gentech-Tomate entwickelt hat, die in der Haut 78 mal mehr Flavonole enthält, als eine herkömmliche Tomate. Das ist etwa gleich viel, wie in einer Zwiebel. Auch im Tomatenmark sei davon noch 65 % enthalten. Doch die Gentechnik ist in Europa mehrheitlich verpönt und wird es wohl weiterhin bleiben, bis sich die Konsumenten dereinst vielleicht von einem konkreten Gesundheitsnutzen umstimmen lassen.

Aus heutiger Sicht erscheint es jedenfalls klüger, grössere Mengen von konventionellem Obst und Gemüse zu essen, als kleine Mengen von angereicherten Designerprodukten. Denn erstere liefern zudem wichtige Nahrungsfasern und Mikronährstoffe. Das Anreichern einzelner Inhaltsstoffe ist heikel, da noch viele Fragen hinsichtlich der Dosis-Wirkungs-Relationen und bezüglich der Nebenwirkungen offen sind. Bestimmt ist das Anreichern eine Frage des richtigen Masses. Nur welches ist das richtige? Schon beim gut erforschten Vitamin C ist eine Überdosis umstritten, umso mehr bei den SPS. Etwas anders sieht dies Peter Fürst (1): «Designerfood mit SPS-Zusatz erscheinen ihm sinnvoll. Man sollte aber die Dosis immer auf ein Mass beschränken, das diese auch mit normaler Kost aufgenommen werden könnte. Wichtig erscheint ihm, dass nur jene SPS in Betracht gezogen werden, die im Darm auch gut aufgenommen werden».nach oben


Einige Beispiele von sekundären Pflanzenstoffen

Gruppe
Name
Vorkommen
Eigenschaften
Carotinoide b-Carotin

- Karotten
-
Aprikosen

- fettlöslich
-
Vitamin A-Vorstufe

Lykopin

- Tomaten
-
Wassermelonen

- fettlöslich
-
hitzestabil

Xanthophylle

- Grüngemüse

- fettlöslich
-
hitzeempfindlich

Polyphenole Flavonoide

- Zwiebeln
-
Apfel (Quercetin)

- hitzestabil
-
wasserlöslich

Gerbsäuren

- Tee
-
Trauben


Kaffeesäure

- Kaffee
-
Kopfsalat


Isoflavonoide
Lignane

- Sojabohne
-
Getreide

- östrogene Wirkung (wie Geschlechts-
hormone)
Ferulasäure - Getreide (Vollkorn) - wasserlöslich
Ellagsäure

- Nüsse
-
Früchte

- an Tannin gebunden

Glucosinolate Senföle

- Kohlarten

- hitzeempfindlich
-
wasserlöslich

Monoterpene Limonen

- Zitrusfrüchte

- flüchtig

Menthol

- Pfefferminze

- flüchtig

Carvon

- Kümmel

- flüchtig

Sulfide Allicin

- Knoblauch

- entstehen erst beim Schneiden
oder Erhitzen

Ajoen

- Knoblauch

- sehr instabil

Pflanzensterine

- Sonnenblumen-Kerne
-
Sesam


Saponine

- Hülsenfrüchte

- oberflächenaktiv
-
bitter

Alkaloide Solanin

- Kartoffeln

- grüne Stellen


Sind es Vitamine oder nicht?

Der Vergleich mit dem Vitamin C liegt nahe. Vitamine sind ja essenzielle Mikronährstoffe, die unser Körper benötigt, aber nicht selbst erzeugen kann. SPS könnte man in diesem Sinn ebenfalls als essenziell betrachten. Einen Unterschied gibt es jedoch: wenn Vitamine fehlen, entstehen Mangelkrankheiten (=> Avitaminosen). Fehlen aber in unserer Nahrung SPS über längere Zeit, treten keine klinischen Symptome auf. Wir werden aber anfälliger für gewisse chronische Krankheiten, wie Krebs und Herz-Kreislauf-Störungen. Weitere Parallelen zu den Vitaminen sind die unterschiedlichen Stabilitäten der einzelnen SPS. Einige Beispiele: b-Carotin und Lykopin sind relativ hitzestabil. Beim üblichen Erhitzen werden nur 8-10 % abgebaut. Xanthophylle hingegen werden zu 60-100 % abgebaut.nach oben



Vermutete Wirkungen sekundärer Pflanzenstoffe


Carotinoide
Phytosterine
Saponine
Phenole
Sulfide
anti-carcinogen
x
x
X
X
x
anti-mikrobiell


x
x
x
anti-oxidativ
x


X
X
anti-thrombotisch



x
x
entzündungshemmend



x
x
blutdruckregulierend



x
x
cholesterinsenkend

x
x

x


Gewinne und Verluste

Wie die Vitamine sind SPS in den Pflanzenteilen ungleich verteilt. Die höchsten Mengen finden sich oft in den äusseren Schichten, wie z.B. in der Haut von Äpfeln, Tomaten und Karotten sowie in den äusseren Blättern des Kopfsalates oder in der Kleie von Getreide. Bei der Verarbeitung, besonders beim Schälen, gehen Flavonoide daher zum grossen Teil verloren. Beim Kochen wird ein weiterer Teil ausgeschwemmt oder zerstört: Bei Linsen liegen die Auslaugverluste der Saponine bei 6-14 %, die Kochverluste bei 15-31 %. Nach neusten Erkenntnissen können gewisse Verluste aber durch Neubildung kompensiert werden. Grund: Stressfaktoren stimulieren im Pflanzengewebe eine Zunahme der Polyphenole, solange es noch stoffwechselaktiv ist. Nach dem Schneiden und Kühllagern von Salat und Kartoffeln steigt z.B. die Hydroxyzimt-Säure auf das Zehnfache. Sogar beim Kühlen und unter Schutzbegasung nimmt sie zu.


Sonnenlicht aktiviert die Bildung

Die Gehalte an SPS hängen ferner von der Sonneneinstrahlung und dem Reifezustand ab. Freilandgemüse und reif gepflückte Früchte weisen die höchsten Anteile auf. Im August geernteter Kopfsalat enthält 3-5 mal SPS mehr als im April geernteter Salat. Während der monatelangen Lagerung von Äpfeln werden mehr als 50 % der Flavonoide abgebaut. Solche Einflussfaktoren werden z.B. an der Eidg. Forschungsanstalt Wädenswil (FAW) untersucht. Konkret getestet wird beispielsweise b-Carotin in Karotten beim Tiefkühlen, Roh-Verarbeiten, Eindosen und Garen. Gemüseforscher Ernst Höhn konstatiert eine leichte Zunahme bei der Lagerung roher Karotten. Beim Eindosen wandelt sich aber ein Teil von der Trans- in die Cis-Form um, welche schliesslich nur noch die halbe Vitamin-A-Aktivität besitzt.nach oben


Zu Risiken und Nebenwirkungen

becel pro-activEinzelne SPS machen bereits Karriere als Zusatzstoff zu Functional Food. Unilever, Novartis und Nestlé forschen intensiv an dieser Nutzung. Dank grossem Forschungsaufwand können einzelne SPS bereits kommerziell genutzt werden. So ist es bereits bei der cholesterinsenkenden Margarine «becel pro-activ», die 8 % Pflanzensterine enthält. Die Wirkung tritt jedoch nur ein, wenn die Produkte über längere Zeiträume in nennenswerten Mengen verzehrt werden. Hört man mit der Einnahme auf, verschwindet auch die Wirkung. Cholesterinsenkende Wirkung erreicht man aber oft auch mit frischer, nahrungsfaserreicher (ballaststoffreicher) pflanzlicher Kost.

Problematisch sind mögliche Nebenwirkungen. Da Functional Food mit angereicherten SPS frei erhältlich sind, besteht ein Risiko zu einer akkumulierten Überdosis, wenn man denn mehrere solche Produkte gleichzeitig konsumiert. Der verantwortungsbewusste Umgang mit ihnen setzt einiges an Wissen voraus. Die Erfahrung aber zeigt, dass Functional Food oft dann konsumiert wird, wenn man zu wenig Gemüse isst und das eigene Gewissen beruhigen will. Das ist vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus eigentlich unerwünscht. Gegen eine gezielte Verwendung bei medizinischer Indikation spricht aber nichts.

Ulrich Moser (2), sieht - aus Sicht der Industrie - in Functional Food die zweitbeste Lösung nach einer ausgewogenen, naturnahen Kost. Doch Lebensmittel sind sicher keine Heilmittel! - Niemand will schliesslich bei Functional Food einen Beipackzettel mit der Überschrift «zu Risiken und Nebenwirkungen» mitliefern. Funktionelle Produkte müssen daher einerseits so vorsichtig angereichert werden, dass ein normaler Überkonsum risikolos bleibt. Andererseits muss die Dosis in der vorgesehenen Portion aber wirksam sein, da ein Anreichern sonst sinnlos ist.




Buchtipps:

  • Prof. Dr. Michael Hamm, Gesundheitsschutz aus
    Obst und Gemüse
    , 128 Seiten, Mosaik Verlag, (1996), ISBN: 3576106871
  • Regina Naumann, Bioaktive Substanzen, 314 Seiten, rororo Verlag (1997), ISBN 3499602113
  • Bernhard Watzl und Claus Leitzmann, Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln, 254 Seiten, Hippokrates Verlag (1999), ISBN 3777313017



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Weiterführende Informationen finden Sie auch hier...
GB / 26.5.2003 - Last update: 17.07.2006
Autor: Dr. Guido Böhler / Seitenaufrufe:
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